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Zwischentoren

Dieses Buch bewegt sich thematisch zwischen den Toren von Geburt und Tod, geht also weiter dem Sein und seinem Sinn nach, tut dies aber in überwiegend kürzeren Texten, welche in noch stärkerem Maß von der „sprachlichen Andeutung“, dem Fragmentarischen geprägt sind.

Hier gehts zum Nachwort der 2. Auflage des Buchs >

 

Auszug aus dem Buch:

 

G r o ß e   S t e i n e
(an der Ilz)

Große Steine
liegen im Fluss

Gern würde ich
zu ihrer Herde
zählen

Im Wasser ruhen,
das flüstert
und flieht

 

D e r   K l a n g   d e r   S t i l l e

Niemand hört es,
wenn die Schmetterlinge sterben

Nur die Luft ist seit Tagen
so klar und verlassen

 

 


 

S T I M M E N   Z U M   B U C H

 

Neue Gedichte des Lyrikers, der im Brotberuf als Psychologe und Psychotherapeut Kindern und Jugendlichen im Allgäu beisteht und hier bereits vorgestellt wurde („Fußgänger des Wortes. Religiöse Lyrik von Andreas König“, in: Stimmen der Zeit 232 [2014] 55-58), diesmal fünf Abteilungen zugeordnet:
„Was ich von Waldhäuser sagen hörte“ (11-21), „Berge, tageweise“ (25-48), „Friedhof Himmelspforte“ (51-91), „Trockenblume aus den Allgäuer Hochalpen“ (95-103), „Apostel auf Prophetenschultern“ (107-156).

Wieder begegnet man feinsinnigen Beobachtungen in der Natur und an öffentlichen Plätzen: im Wald, auf Bergen, in abgelegenen Tälern, an Flüssen und Seen, an Einöden, auf Bahnhöfen, bei einem Stadtspaziergang. Sie werden transparent (gemacht) auf ein Anderes hin. Da wird zwei Frauen, den beiden letzten, schon in den 1970er-Jahren verstorbenen Bewohnerinnen von Oberfalpetan im Tiroler Kaunertal, ein Denkmal gesetzt: „Nur ein Bild auf einem schlichten Kreuz / erinnert noch daran, / was Demut war / und Einfachheit in allen Dingen“ (33). Auf den Fernpass, nach Landeck und zum Reschenpass, ins Inntal und auf die Kronburg wird man entführt, nach Salzburg. Am Grab des Vaters („nichts / als Asche / mehr // Hier / brennt / noch vieles“: 58) kommt man zu stehen, Winterlandschaften werden lebendig.

Ein Friedhof in San Miniato al Monte in Florenz oder der Glockenturm der Basilika inspirieren ebenso wie ein „Schmerzensmann“ in Passau („Zu wahr / ist / seine Schönheit“: 77), ein Fronleichnamsfest ebenso wie eine Gedächtnisfeier oder ein Bittgang, das Turiner Grabtuch: „Wer es entwickelt, / wird sichtbar“ (86). „Wenn wir nur / mit seinen Augen / sehen könnten“ (90) – die Rede ist vom „blinden Kartäuser“, zu dem der Film „Die große Stille“ von Philipp Gröning anregte. Man wird an der Hand genommen und mitgeführt, ohne Zwang, ohne „geschoben“ zu werden, unaufdringlich. Orte, Anlässe, Personen, historische Gestalten, alltägliche Situationen erscheinen in einem anderen Licht.

„Selbstauskunft“ gibt der Autor: „Ihr seht nur den Acker // Und nicht einmal ihn, / in seiner himmlischen Brache // Wie solltet ihr verstehen, / dass ich all / meine Worte verkaufe? // Für den Schatz / eines Gedichts“ (95). Unsichtbares wird sichtbar gemacht, aber man wird nicht gelenkt, die Gedichte sprechen einen an und rufen etwas wach: „Es wird / um Stille gebeten / Siehe: DAS WORT // Gott schweigt nicht / Es ist alles gesagt“ (148). Man kann, muss dabei aber nicht an Flüchtlinge und Migranten denken im Gedicht „Der Himmel über Bethlehem“, dem vorletzten Text der Sammlung: „Haben Sie vielleicht / ein Zimmer für mich / und meinen Sohn? fragt Gott // Eines / um den Preis eines / wärmenden Worts?“ (155)

Die maieutische Kraft dieser Lyrik fasziniert. Sie will nicht krampfhaft beeindrucken, sie lenkt nicht in eine bestimmte Richtung. Sie schreit schon gar nicht. Sie lädt ein. Hoffentlich noch lange.

Andreas R. Batlogg,
in: STIMMEN DER ZEIT 1/2014