Als ich heute Morgen ins Wohnzimmer kam, lag auf dem Sofa mein jüngster, bald erwachsener Sohn. Er hatte die Grippe erwischt und erzählte mir, dass ihm in der Nacht, als er nicht schlafen konnte, plötzlich das Gebet eingefallen ist, das wir früher, immer vor dem Einschlafen, an seinem Bett gesprochen haben. Es dauerte eine ganze Weile, bis uns der vollständige Text wieder einfiel: „Lieber Gott, nun schlaf ich ein, schicke mir den Engel dein, dass er treulich bei mir wacht, durch die ganze lange Nacht. Schütze alle, die ich lieb, alles Böse mir vergib. Kommt der helle Morgenschein, lass mich wieder fröhlich sein.“ Es berührte mich sehr, diese Reime und Gedanken wieder zum Klingen zu bringen, weckten sie doch Erinnerungen an eine längst vergangene, schöne, gemeinsame Zeit. Gleichzeitig zeigte mir der Umstand, dass meinem Sohn das Gebet in der Einsamkeit der Nacht eingefallen war, wie tief doch die Erfahrungen sich eingraben, die wir als Kinder mit dem Glauben (unserer Eltern) machen – und wie ebenso tief, in der Zeit der Not, unser Bedürfnis ist, einen Engel an unserer Seite zu haben. Gar nicht lange dauerte es, bis diese Begebenheit mich zu dem Gedicht führte, das ich hier wiedergeben möchte: Erinnerung des Sohnes an ein Kindergebet (für Michael) Lieber Gott, nun schlaf ich ein, schicke mir den Engel dein, dass er treulich bei mir wacht durch die ganze lange Nacht … Der Engel wacht noch immer bei dem Kind Wenn die Gebete auch längst eingeschlafen sind, tragen ihre Worte doch noch…