„Ich nehm die Wörter wörtlich und die Orte örtlich“
Warum schreibe ich Gedichte? – Die einfachste Antwort auf diese Frage lautet: Weil ich auf diese Weise am besten ausdrücken kann, was ich zu sagen habe. Ein klassischer Sänger hat einmal gemeint, ein Lied sei wie eine kleine Oper. Entsprechendes könnte man von einem guten Gedicht sagen. Der Grund, warum dieses wesentlich weniger Wörter als ein Prosatext benötigt, liegt vermutlich darin, dass es nur andeuten, eine Perspektive öffnen, einen Klang anstimmen möchte. – Doch gleich wird es schon wieder komplizierter, denn es scheint etwas zu geben, was (durch mich) ausgedrückt werden möchte. Von dem ich sprechen muss, unbedingt. Ich glaube, Gedichte schreiben stellt den Versuch dar, vom Unsagbaren zu sprechen, dabei aber so dicht wie möglich am „Erdboden“, also an der Bedeutung der Wörter, am Charakter der Orte und Dinge zu bleiben, sie nur gleichsam transparenter zu machen. Spricht man von etwas, was eigentlich „unsagbar“ ist, läuft man natürlich Gefahr, als unverständlich wahrgenommen zu werden. Dabei ist es aber nicht das Gedicht selbst, das sich dem Verständnis verschließt, gar verschließen will. Das gute Gedicht zollt vielmehr dem Respekt, wovon es spricht, und tut nicht so, als ginge es um einfachhin Sag- und Mitteilbares. Wäre das so, wäre das Gedicht ja überflüssig. – Eigentlich könnte man sagen, ich schreibe Gedichte, weil ich mich im Dialog befinde, und dieser soll zu einem Dritten, dem Leser getragen werden, für den ich nicht schreibe, der aber jederzeit eingeladen ist, in den Gesprächsprozess einzutreten.
Die Frage, für wen ich schreibe, ist schwer zu beantworten. Sie stellt sich für mich gar nicht. Damit dies nicht missverständlich klingt, will ich hinzufügen, dass wohl kein ernst zu nehmender Autor für ein bestimmtes „Publikum“ oder eine Gruppe von Menschen schreibt. Er schreibt für sich (um zu gesunden), dann aber für „den Menschen“, das konkrete Gegenüber, das in seinen Text eintritt und sich berühren lässt. Wir brauchen doch Begegnung, wir wollen gesehen werden, verstanden. Im Tiefsten aber befindet sich ein Dichter im ständigen Zwiegespräch mit dem, was sein Schreiben trägt und antreibt. Ernst Jandl hat einmal geäußert, zu sagen gebe es nur das eine, dieses aber auf immer wieder neue Weise.
Inspiration ist das Kostbarste. Was inspiriert mich? Dieser Frage möchte ich lieber ausweichen. Es steht mir nicht an, sie zu beantworten. Sehr allgemein gesprochen, wäre es wohl die Frage: Wer bist DU – und wie stehst DU zu mir, den Mitmenschen, dieser Erde? Ihr begegne ich überall, im Entsetzen und im Staunen. Inspiration bedeutet, dass ein wirkliches Gedicht nicht vom Autor „gemacht“ wird, sondern „einfällt“ und „überrascht“. Was dann auf dem Papier steht, entspricht mitunter kaum noch dem, was dort absichtsvoll hätte stehen sollen. Das kann durchaus etwas Wunderbares haben.
Kann und soll ein Autor den Lesern seiner Gedichte helfen, diese (besser) zu verstehen? – Dies wäre wohl nur in der persönlichen Begegnung möglich. Natürlich könnte ich zu einem Gedicht manches erklärend, erläuternd, erschließend hinzufügen. Warum aber nicht darauf vertrauen, dass ein Gedicht mit dem geneigten Leser ganz von allein etwas ganz eigenes „anstellen“ wird? – Schon viele andere haben festgestellt, dass Gedichte die Welt nicht verändern können – und es doch irgendwie tun. Wer nicht schreibt, weil er die Welt verändern, besser machen möchte, sollte es wohl lieber sein lassen. Meine „innere Welt“ ordnet und erhellt sich durch jeden Text, der etwas in eine Form bringt, dessen Sinn sich dadurch besser erschließt.
Besonders als Gedichte Schreibender sollte man üben, die eigene Person in den Hintergrund treten zu lassen. Beim Schreiben stört sie oft genug, ist freilich zugleich die unabdingbare Voraussetzung für das Entstehen der Arbeiten. So habe ich den Namen Andreas König gewählt. Der Mensch dahinter hat eine konkrete Geschichte: Er wurde 1967 in Münster geboren und ist in Weilheim in Oberbayern aufgewachsen. Geprägt hat ihn vieles, vor allem seine Frau, mit der er seit 20 Jahren verheiratet ist. Hinzu kommen Zivildienst, die Arbeit mit schwerstbehinderten und chronisch kranken Menschen, eine Ausbildung zum Krankenpfleger. Und seit bald 20 Jahren seine Tätigkeit als Psychologe und Psychotherapeut. Literarisch prägend war ohne Zweifel die Begegnung mit dem Dichter Reiner Kunze, dem ich als Schuljunge anlässlich einer Lesung begegnen durfte. Er hat sich damals Zeit genommen, um mit mir ein ernsthaftes Gespräch zu führen. Natürlich war er nicht der Einzige. Viele andere haben mich teilhaben lassen an den „Früchten ihres Lebens“ und ihren Erkenntnissen, haben mich ernstgenommen, wofür ich ihnen dankbar bin. Und ich danke meinen Eltern, die in mir die Liebe zur Natur grundgelegt haben – und eine basale Religiosität, die sich später, viel später ausformen und mich gewissermaßen zu den Wurzeln meiner Kindheit, meines frühesten Lebensgefühls zurückführen sollte.
Andreas König ist auch als Autor im Literatur Portal Bayern verzeichnet.